Persönliche Erklärung zu meiner politischen Zukunft

Liebe Leserin,

lieber Leser,

vielleicht haben Sie von meinem Parteiaustritt aus der Partei DIE LINKE nach über 18 Jahren im vergangenen Juni gehört oder gelesen… in diesem hatte ich ebenfalls angekündigt, dass ich mich zur Zukunft meiner politischen Arbeit nach der Sommerpause bzw. kurz danach äußern und erklären werde… nun, die Sommerpause ist vorbei und mich erreichen immer wieder nachfragen, was denn jetzt ist und wie es weiter geht…

Ich möchte Ihnen hier und heute reinen Wein einschenken und Ihnen mitteilen, dass es weiter geht und (wenn Sie es denn auch interessiert) Ihnen erläutern, WIE es weitergeht sowie Ihnen gerne meine Beweggründe für mein Handeln darlegen. Mir ist klar und bewusst, dass es unterschiedliche Meinungen und Auffassungen zu meiner Entscheidung geben kann und geben wird, seien Sie sich bitte bewusst, dass ich es mir mit meiner Entscheidung weder einfach gemacht habe noch dies eine ad-hoc Entscheidung ist, sondern eher ein langes Überlegen vieler Monate, wenn nicht sogar Jahre. Ich habe auch keine Münze geworfen, falls Sie sich das vielleicht denken mögen.

Grundsätzlich hätte ich es mir sehr einfach machen können, indem ich einfach das weiter mache, was ich gerade mache bzw. gemacht habe. Ich bin seit fast 14 Jahren gewähltes Mitglied des Rates der Stadt Viersen und des Viersener Kreistages, in beiden Gremien bin ich seit meiner ersten Wahl Vorsitzender meiner Fraktionen gewesen und weiterhin in Ausschüssen und weiteren Gremien unterwegs. Die Wahlperiode dauert noch etwas über zwei Jahre, ich hätte diesen Zeitraum einfach „aussitzen“ können. Nun bin ich aber nicht der Typ, der etwas „aussitzen“ kann oder möchte und ich hatte bereits in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren für mich das Gefühl, das die Dinge, die wir hier machen, stellenweise auch das machen um des Machens willen, nicht (mehr) dem entspricht, was ich mir für mich, meine Arbeit, mein Leben und im Übrigen auch meine (durchaus begrenzte) Lebenszeit vorstelle. Veränderungen habe ich probiert, Situationen auch immer wieder angesprochen, es änderte sich aber (zumindest gefühlt für mich) nichts. Eher das Gegenteil war der Fall, so dass ich im Frühjahr diesen Jahres für mich frustriert, demotiviert und recht perspektivlos klar- und feststellen musste, das ich so nicht weiterarbeiten kann und möchte!

Natürlich hätte ich auch einen Schritt zurück gehen können, um zu schauen, ob das für mich so vielleicht funktioniert, dies hätte aber meine und die Probleme der eigenen Gremien für mich und auch in Gänze nicht gelöst. Grob gesagt, hatte ich also für mich zu entscheiden, ob ich meine gesamten letzten 15 Jahre (inklusive der Planung und Vorbereitung zur Kommunalwahl) Arbeit mit Aufbau, Organisation und Leitung, mit vielen hundert Sitzungen und gefühlt ebenso vielen getroffenen Entscheidungen in Ausschüssen und Rat/Kreistag, zehntausenden von Seiten Vorlagen, Haushalten und weiteren Papieren/Informationen sowie weiteren Gremien „wegwerfe“ und einfach gehe ODER ob ich versuche, meine Tätigkeit in einer mir politisch nahestehenden anderen Partei und anderen Fraktion/en in anderer Funktion fortzusetzen und zumindest zu probieren, den Spaß an der Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt und des Kreises wieder zu finden. Wenn ich in meinem Schreiben zum Parteiaustritt geschrieben habe, dass die Partei für mich immer ein Projekt war, so bin ich mir trotzdem sicher, dass die politische Arbeit für mich schon so etwas wie eine Lebensaufgabe ist bzw. sein könnte.

Hinzu kommt noch, dass ich eigentlich ein Parteimensch bin und jemand, der eine Einheit in Partei und Fraktionsarbeit anstrebt und braucht. Dies ist für mich aufgrund der entsprechenden Rahmenbedingungen (siehe Parteiaustrittsschreiben) und etwaiger Vorkommnisse nicht mehr möglich gewesen und das hat die Situation für mich nicht unbedingt verbessert.

 

Nun muss man dazu sagen, dass wenn man als Fraktionsvorsitzender zwei Fraktionen leitet (Stadtrat und Kreistag), Mitglied vieler Ausschüsse und weiterer Gremien ist, einen Großteil der Organisation in eigenen Händen hat, man natürlich eine Verantwortung trägt, die man sich einmal selbst erwählt hat und dankenswerterweise vom eigenen Gremium dann auch gewählt wurde. Diese Verantwortung habe ich immer und durchgehend in den letzten fast 14 Jahren wahrgenommen und habe dies auch bis zum letzten Tag als Fraktionsvorsitzender so beibehalten.

Nach langer und reiflicher Überlegung habe ich dann für mich die Entscheidung getroffen, dass ich 15 Jahre (politische) Arbeit nicht „wegwerfen“ und gerne weiter politisch in Rat und Kreistag arbeiten möchte. Ich habe dann an die Tür einer anderen (mir schon immer inhaltlich nahestehenden) Partei bzw. Fraktion geklopft und um Vorsprache und Einlass gebeten. Ich wurde hier freundlich und zuvorkommend begrüßt und herzlich willkommen geheißen, worüber ich mich sehr freue und mir natürlich bewusst ist, dass dies keine Selbstverständlichkeit darstellt.

Nach einigen Gesprächen war eine gemeinsame Linie für mich zu erkennen und ebenfalls ein gemeinsamer Wille in Zukunft zusammen Politik zu machen und möglichst auch zu gestalten, so dass ich dann zu der endgültigen und folgenden Entscheidung zu meiner politischen Zukunft gelangt bin:

  • Ich habe bereits am 18.08.2023 der Bürgermeisterin der Stadt Viersen meinen Rücktritt als Fraktionsvorsitzender der Viersener Ratsfraktion DIE LINKE sowie meinen Austritt aus der Viersener Ratsfraktion DIE LINKE erklärt.
  • Ich habe dem Landrat des Kreises Viersen meinen Rücktritt als Fraktionsvorsitzender der Viersener Kreistagsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI sowie meinen Austritt aus der Viersener Kreistagsfraktion DIE LINKE/Die PARTEI zum 31.08.2023 erklärt.
  • Mein Rats- und mein Kreistagsmandat (sowie einige Ausschuss- und Gremienmandate) werde ich behalten.

Weiterhin:

  • Ich erkläre hiermit meinen Eintritt in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) zum 01.09.2023.
  • Ich erkläre meinen Beitritt in die Viersener Ratsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zum 01.09.2023 (bzw. alsbald möglich).
  • Ich erkläre meinen Beitritt in die Viersener Kreistagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zum 01.09.2023 (bzw. alsbald möglich).

 

Ich bin mir des Konfliktpotentials dieser Entscheidung durchaus bewusst. Nach über 18 Jahren in der Politik ist mir klar, dass man diese Entscheidung mit verschiedenen Perspektiven und Blickwinkeln betrachten kann. Einige wird meine Entscheidung wundern, manche ärgern und andere werden sich darüber aufregen, schimpfen und fluchen. Die Entscheidung wird auch ebenso Zustimmung und etwaige Bestätigung, Akzeptanz, Verständnis oder Wohlwollen finden. Ich akzeptiere und respektiere jede einzelne Meinung zu meiner Entscheidung, mit Ausnahme von Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen, ändern werde ich diese aber nicht.

Ich für meinen Teil habe mir diese Entscheidung lange überlegt und bin ja auch nach wie vor der gleiche Mensch, der sein durch die Wählerinnen und Wähler zuerteiltes Mandat in Zukunft und zumindest für den Rest der aktuellen Wahlperiode in gleichem Sinne und mit der gleichen Absicht und Intention, nämlich zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger der Stadt und des Kreises Viersen ausüben will und wird…

in Zukunft dann allerdings mit einem anderen „Trikot“ und in anderen Positionen.

Für eine sachliche und professionelle Übergabe habe ich selbstverständlich zur Verfügung gestanden...

Bis demnächst

 

Christoph Saßen